Mainz, 05. Juli 2025 – Die Initative der Fachärzte (IFA) Rheinland-Pfalz kritisiert, dass das geplante Primärarztsystem in Deutschland nicht ausreicht, um eine effektive Patientensteuerung sicherzustellen, da der bestehende Ärztemangel – vor allem in der Allgemeinmedizin – einer solchen Lösung strukturell entgegensteht. Ein Instrument intelligent unterstützter Eigenverantwortung ist dringend notwendig, um die sogenannte Vollkasko-Mentalität im Gesundheitswesen zu überwinden.
Weiterlesen: Die IFA RLP sieht das Primärarztsystem kritischDazu schlägt die IFA zwei Modelle vor. Erstens eine pauschale Selbstbeteiligung von 1 % des Bruttoeinkommens, die sozial gestaffelt erhoben wird und Routinebesuche finanziell in einen realistischen Rahmen rückt, während echte Notfälle und Vorsorgeuntersuchungen weiterhin zu 100 % erstattet werden. Alternativ könne ein System nach dem Vorbild des luxemburgischen Rechnungsmodells (PID-Modell) diskutiert werden. In Luxemburg zahlen Patientinnen und Patienten die Leistungen zunächst selbst und reichen die Rechnung ein – über das Paiement Immédiat Direct (PID)-System werden etwa 88 % der Kosten direkt von der Sozialkasse (es gibt dort genau eine Krankenkasse!) an die behandelnden Ärzt:innen überwiesen, während die Versicherten nur den Eigenanteil von rund 12 % begleichen müssen, bei Kindern entfällt dieser Anteil vollständig. Dieses Verfahren reduziert bürokratische Hürden, vermeidet Vorauszahlungen und ermöglicht schnelle, transparente Erstattungen.
Parallel dazu erhöht das bestehende System durch die Vielzahl gesetzlicher Krankenkassen und hohe Verwaltungsausgaben die Beitragssätze unnötig. Deutschland hat derzeit etwa 96 gesetzliche Krankenkassen, die gemeinsam rund 300 Mrd. € für Leistungen ausgeben, wobei über 4 % dieser Summe für Verwaltung aufgewendet werden – etwa 12 Mrd. €. Zudem entziehen die Kassen der direkten Patientenversorgung zahlreiche Ärzt:innen und medizinische Fachangestellte, da diese im Medizinischen Dienst tätig sind, anstatt in Praxen und Kliniken zu arbeiten. Der Medizinische Dienst bindet nach aktuellen Zahlen über 10.000 Mitarbeitende, darunter zahlreiche Ärzt:innen und MFA, deren Expertise dringend in der Patientenversorgung gebraucht wird.
Vor diesem Hintergrund fordert die IFA Rheinland-Pfalz klar: Erstens die Stärkung der Patientenverantwortung durch Selbstbeteiligung und/oder transparente Erstattungsmodelle (bei 100 %iger Kostenübernahme in echten Notfällen und von Vorsorgeuntersuchungen), zweitens eine Reduktion der Anzahl gesetzlicher Krankenkassen auf wenige leistungsstarke Träger mit schlanker Verwaltung und drittens die Rückführung von Mitarbeitenden des Medizinischen Dienstes in die direkte Versorgung. Nur so lässt sich dem demografischen Wandel und der drohenden Unterversorgung begegnen.
Die IFA Rheinland-Pfalz hat beim Sozialministerium Rheinland-Pfalz die Auskunft angefragt, wie viele Ärzt:innen und Medizinische Fachangestellte derzeit im Medizinischen Dienst tätig sind, um die Fehlallokation personeller Ressourcen belegbar zu machen.
Karl Barwich
Pressesprecher, V.i.S.d.P.
Facharzt für HNO-Heilkunde